Warum habe ich dieses Buch geschrieben?
In einem Supermarkt traf ich eine chinesische Familie.
Wir kamen ins Gespräch. Der Familienvater fragte mich, wann ich
nach Deutschland gekommen bin. Ich antwortete: „Anfang 1991.“
Vor seinem geistigen Auge verwandelte ich mich in einen
Dinosaurier. „Unmöglich! Es geht nicht. China war damals noch
nicht aufgeschlossen. Oh mein Gott, Sie sind die erste Generation! Ist Ihr Vater
Minister? Wie haben Sie es geschafft, nach Deutschland zu
kommen? Wir dachten, diese Generation ist nicht mehr in
Deutschland. Wir kamen fünf Jahre später als Sie und dachten,
wir sind die ersten in Deutschland.“
Dann hatte ich zu Hause eine Party. Ein guter Freund
meines Mannes, der nicht nur im Fach Chemie promoviert, sondern
auch Geschichte und Pädagogik studiert hatte, betonte ständig:
„Ich möchte zu gerne Weihongs Geschichte hören. Meine
Vorstellungskraft reicht nicht aus, wie sie all diese Jahre in
Deutschland verbracht hat. Vor allem, sie kam in 1991 nach
Deutschland. In einer Zeit, in der China kein positives Bild
abgab. Es musste ganz schlimm gewesen sein. Aber sie hat
überlebt. Respekt!“ In seinem Auge war ich ein überlebender
Dinosaurier.
Eines Tages traf ich eine Vietnamesin mit chinesischem
Wurzel, die vor 30 Jahren in einem Boot nach Deutschland kam.
Heute ist sie eine erfolgreiche QM-Fachfrau. Nach einem
gemeinsamen Abend sagte sie zu mir: „Ich bin so glücklich, Sie
kennenzulernen. Sie sprechen über Ihr Leben und äußern Ihre
Meinung! Chinesen tun das normalerweise nicht. Chinesen sind
zurückhaltend und zeigen ständig mit ihrer Körpersprache: ‚Frage
mich bitte nicht. Ich antworte nicht. Ich bin ängstlich. Ich
äußere mich nicht.‘ Keine Chance, etwas von ihnen zu erfahren,
egal wie man sich bemüht. Ich finde das immer sehr schade. Ich
habe selbst chinesische Wurzel und möchte gern mehr über die
chinesische Kultur erfahren. Hat China, dieser Diktaturstaat,
wirklich den Mut der Chinesen weggenommen, sich frei zu äußern?“
Meine Antwort auf diese Frage wäre sehr lang. Der Abend neigte
sich leider schon dem Ende zu.
Als die Flüchtlingskrise in diesem Jahr zu einem
Dauerthema wurde, erinnerte ich mich häufig an die 90er Jahren.
„Es war so schrecklich. Ich kam gerade nach Deutschland und
wusste noch nicht, warum die Deutschen so ausländerfeindlich
waren. Die Ausländerfeindlichkeit war das einzige Thema für
mehrere Jahre.“ Meine Sinologiefreundin äußerte ihr
Unverständnis und meinte: „Aber wir Deutschen hatten damals doch
nur Probleme mit den Wirtschaftsflüchtlingen aus China, nicht
mit den chinesischen Studenten und Wissenschaftlern. Denn wir
wissen, dass sie zur Elite gehören.“ Auf einmal war ich
sprachlos, weil ich eine andere Realität erlebt hatte.
So dachte ich häufig: „Was weiß man eigentlich über die
erste Generation der chinesischen Studenten und Wissenschaftler
in Deutschland? Viel weniger als von den Dinosauriern. Auch viel
weniger als von den Pandabären. Wenn ich ein Buch schreibe,
werde ich all diese Fragen beantworten.“
Ja, ich habe es getan. Ich habe ein Buch
geschrieben. Diese Tage bekam ich das Feedback der ersten Leser.
Ein Leser schrieb mir: „Das Buch ist toll! Danke, dass Sie es
geschrieben haben.“ |